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Irlandtagebuch

Irlandtagebuch (4)

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Egal wo man auf dieser Welt auch ist, in den Nächten zeigt sich jede Stadt noch einmal in einem anderen Gewand. Sie legt ihr ganz eigenes Parfüm auf und strahlt dich mit ihren funkelnden Beleuchtungen an, die sie schmücken und dich verführen. Auch Dublin weiß wie das geht.

hello_ireland_nächte

In Dublins Nächten treffen sich alle zwischen 3 und 4 auf der Straße, um in einem Meer aus Taxis zu baden. Manchmal auch ein bisschen eher, aber dann geht es meist noch einmal eine Runde in den Burgerladen oder auf ein Chickenbaguette in den nächstliegenden SPAR (ja, bei uns gibt es den Laden nicht mehr, aber hier sogar in goldiger Premiumversion). Gerade als Berliner darf man ja meckern, wenn um 2:30 auch einfach strickt das Licht angeht und die Party beendet ist, die manchmal erst um 22:00 Uhr angefangen hat, doch diese konzentrierte Partyzeit hat auch etwas für sich. Man verpennt zum Beispiel nicht den kompletten nächsten Tag. Wem das aber zu weng ist, kann auch einfach schon um 18 Uhr anfangen ins Pub zu gehen, das ist kein Problem. Dann kommt man auch auf seine 8 Stunden und einige Pubs locken mit Happy Hour bis 5:30 pm.

dublin_nights_spar

In Dublin kann es dir passen, wenn du um 4.00 Uhr noch schnell für 10 Minuten an einem Hauseingang lehnst, dass dich jemand anspricht, ob alles okay sei, dir eine Zigarette anbietet und du eine 20 minütige Unterhaltung über Wirtschaft, Sprachen und die Stadt selbst hast und mit guten Pub-Spar-Tipps nach Hause gehst. Manchmal fallen aber auch einfach ein paar auftupierte Damen in deine Richtung direkt aus dem Taxi heraus auf ihre Knie, um „High-Heels in die Höh“ auf den Bürgersteig zu kotzen. In Dublin fahren dich die Taxifahrer schnell noch ein Stück weiter, auch wenn du nur 7,50€ in der Tasche hast, weil sie meinen die Gegend sei nicht sicher genug für dich.

In Dublin gibt es zu viele Zufälle, denn die Stadt ist klein und irgendwann muss man sich einfach treffen. Dublins Nächte versuchen dir dein Portmonee aus der Tasche zu klauen, wenn du zu müde oder betrunken in der Bahn gegen die Scheibe lehnst, sie singen dir an allen Ecken die schönsten Gitarren-Lieder, sie haben schlechte Zähne, aber Lächeln immer freundlich. Dublins Nächte tragen keine Strumpfhosen aber wochenlang Weihnachtspullover und sexy Santakleider. Es ist ein großes Gruppenkuscheln.

dublin_nacht_globe

Schwule Hutmänner fordern dich zum Tanz auf und schieben dich über die Tanzfläche wie niemand sonst zuvor, Automaten verlangen von dir 9€ für eine Packung Zigaretten und alle Menschen sind „grand“ so lange das Pint gefüllt ist. All das passiert in der Dunkelheit der Wikingerstadt an der Liffey, in der sehr viele Obdachlose und Drogenabhängige versuchen sich an dem Leuchten der anderen zu wärmen und stundenlang auf windigen Brücken sitzen. Diese laute Stadt, in der kaum jemand dem Wetter entsprechend angezogen ist, verdreht einem mit seiner rauen Seele einfach den Kopf.

 

Irlandtagebuch (3)

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Wenn man erst mit 26 Jahren genug Fernweh hat, ist so ein Erasmus-Semester natürlich ein bisschen anders als mit 19 oder 20. Umzingelt von sehr jungen Menschen, die Armbänder tragen, die ihnen erlauben auf alle möglichen Partys zu gehen und dort fast täglich günstig betrunken zu werden, musste ich erst ein bisschen nach meinem Weg suchen. Mein „Ausleben“ ist bei diesem Auslandssemester also weniger nackt & betrunken auf irischen Tischen zu Miley Cyrus zu tanzen, sondern vielmehr Zeit haben endlich wieder ganze Bücher zu lesen, am Kanal gedankenlos in die Sonne zu blicken, ja sogar langweilig Blätter zu sammeln und pressen.

Ich kann mir endlich wieder Zeit nehmen und Briefe per Hand schreiben, Fotos entwickeln lassen und Hausarbeiten schreiben zu Themen, die mich interessieren, nicht zu Themen, die den geringsten Aufwand haben. Ich sportel viel und bilde mir ein endlich einen kleinen Trizeps-Erfolg zu spüren und suche nach neuer Musik, die mich bewegt.

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Absolut langweilig! Werden jetzt einige rufen, aber für mich ist es ein Segen und gibt mir genug Raum endlich wieder richtig kreativ zu sein. Ich fahre lieber auf Roadtrips (ausführlicher Bericht folgt noch), gehe zu Spoken Words Performances und sitze bloggend in der Bibliothek meiner Uni als Franzosen das Herz zu brechen (irgendwie scheint das aber auch ohne ständigen Partyaufenthalt zu klappen).

Habt aber keine Angst um mich und denkt nicht, dass ihr mir heimlich Gesichtsglitzer und tiefausgeschnittene Tops schicken müsst, damit ich hier dazu gehöre. Ich schreibe nämlich gerade all das während ich verkatert von der gestrigen Party vor meinem Laptop sitze und versuche herauszufinden, ob Irland eine post-koloniale Gesellschaft ist. Das Gute ist hier im Gegensatz zu Berlin: Wenn man dann doch mal in der Woche feiern geht, kann man schon um 19 Uhr im Club sein, bis 0 Uhr bleiben und dann ca. 7 Stunden schlafen bis die Uni wieder losgeht.

Ein paar Impressionen dokumentiert mittels Instagram:

Das Einleben hat also nach fast zwei Monaten hier in Dublin gut geklappt. Ich laufe mittlerweile furchtlos durch die Stadt, in der es eigentlich keine Ampelphasen gibt oder man sie nicht versteht und weiß, wo ich echtes Brot herbekomme. Ich kann mich orientieren, weiß, an welchen Bahnstationen ich raus muss und in welchen Pubs das Pint unter 5 € kostet. Während ich Gruppenpräsentationen mit Iren plane, inhaliere ich ihren Dialekt und versuche den weitverbreiteten Trend der künstlichen dicken Augenbrauen der Mädels zu verstehen.

First World Problem: Ich vermisse Club Mate & Räuchertofu (Ja, das habe ich wirklich gerade geschrieben).

Für alle, die sich noch ein bisschen mehr für Irland, mich oder einen Auslandsaufenthalt hier interessieren, ich habe auch einen kleinen Tumblr angelegt.

Irlandtagebuch (2)

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Wer in Irland wohnen will, muss wohl oder übel einige Wohnungsbesichtigungen (viewings) über sich ergehen lassen. Während es in den letzten Jahren angeblich immer leicht war ein Zimmer bekommen, hieß es in diesmal sogar im Radio, dass sich die Lage auf dem Wohnungsmarkt zugespitzt habe.

Eigentlich suchen fast alle unter daft.ie nach Wohnungsangeboten. Hier sieht man Bilder, hat ein paar Infos und muss in den meisten Fällen schnell anrufen und ein Treffen ausmachen. Viele bezahlbare Angebote sind in typischen alten irischen Häusern, die schmal und verwinkelt sind. Wichtigster Unterschied ist hier erstmal „owner occupied“ oder nicht. Das zeigt an, ob der Besitzer mit im Haus wohnt oder es nur als „Landlord“ (klingt krasser, als es ist) vermietet. Mittlerweile vermieten nämlich viele Privatpersonen einfach ein Zimmer in ihrem Haus.

Nehmen, was man kriegen kann

Ich kannte das Prinzip WG-Casting, doch hier sehen sich oftmals einfach ganz viele Menschen ein Zimmer an, haben das Gespräch nur mit dem Besitzer, ohne die anderen Mitbewohner je gesehen zu haben und müssen im besten Fall sofort zusagen. Nichts mit Beschnuppern oder „Vibe“ fühlen. Als Berliner fällt man natürlich bei den Preisen von jeglichem übrig gebliebenem Glauben ab. Beispiele:

+ 7 qm Zimmer mit Bett, kaputten kleinen Schrank und schmalem Fenster sowie Minischrank im Flur zusammen mit drei anderen Menschen und widerlichem Bad 35 Min. zu Fuß vom Stadtzentrum entfernt = 370€ warm.

Aber zumindest ging es mir mit meinen Begegnungen besser als meiner Kommilitonin Sophie, die aufeinmal bei einem spanisch sprechenden Mann auftauchte, der in einem Kellerloch mit freilaufenden Chinchillas lebt und auf die Frage hin, warum alles so anders als in seiner Wohnungsanzeige aussähe nur meinte, dass angeblich gerade renoviert worden war. Ahja!

Stylische Menschen bedeuten nicht schöne Wohnungen

Wenn man in ein anderes Land geht, lernt man sich selbst und seine Heimat doch noch einmal anders kennen. Während meine Mutter sicher widersprechen würde, scheine ich doch sehr ordentlich für internationale Verhältnisse zu sein. Das erste, was mir in Dublin auffiel: Egal wie schön und gestyled die Menschen aussehen, ihre Wohnungen können komplett verkeimt sein und die Iren scheinen (ganz allgemein gesprochen) nicht so viel Wert auf die häusliche Gemütlichkeit zu legen, was mir auch andere Iren bestätigten. Manche Räume sehen einfach aus, als würde darin seit Jahren niemand wohnen.

Vieles ist zweckmäßig, Haken werden generell schief angebaut und eine feine Staubschicht habe ich noch in jeder Wohnung gefunden. Ganz zu schweigen von den Bädern! Ich habe mit meiner jetzigen Unterkunft sehr viel Glück, aber siehe Headerbild, ist der Schimmel ein treuer Begleiter in den Wohnungen Dublins, die ich gesehen habe.

(Verwirrendes Regenrinnenkonzept)

Während ich in Berlin nach einem Balkon lechze, haben hier viele Häuser einen kleinen Garten vor oder hinter dem Haus. Diese Orte werden sehr oft aber gar nicht genutzt und erinnern dann eher an einen traurigen Steinfriedhof. Während man von außen also oft denkt: Oh, so ein schönes niedliches kleines Haus mit bunter Tür! Ist es von Innen dann doch eher ein bisschen rumpelig und kalt. Natürlich gibt es auch viele Ausnahmen, wie unsere erste Unterkunft.

Ich wohne jetzt in einem gemütlichen Zimmer auf dem Dachboden mit eigenem Bad im Haus einer irischen Familie, deren Kinder alle aus dem Haus sind. Für ca. 12qm + Bad mit Dusche zahle ich 450€ warm und wohne in Kilmanhaim etwas außerhalb. Die Küche wird geteilt. Kleines Video vom Raum: elvs ungemachtes Bett.

Wegen dieser Fokussierung und meiner Pünktlichkeit wurde ich auch schon am vierten Tag als „Soooooo German“ betitelt. Wir waren in einem Pub und eigentlich seit 10 Minuten mit den nächsten Freunden verabredet und ich wurde langsam unruhig, zack! erfüllte ich mein Klischee. Zusammen mit dem Fakt, dass ich immer noch kein Stout & Ale trinke und dem ständigen Listenschreiben wurde ich als typical German enttarnt. Was einem hier auch jeder an den Kopf wirft: German efficiency!

Aber hey, den irischen laid-back Modus übe ich noch und bis dahin finde ich es vollkommen okay mal nachzufragen, wenn am Freitag immer noch nicht die Zeitpläne für die Unikurse am Montag einzusehen sind!

Den ersten Teil vom Irlandtagebuch findet ihr hier (1).

Irlandtagebuch Part (1)

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What’s the craic? Hello Ireland, ich bin da! Gekommen, um (erst einmal) zu bleiben, landete mein Flieger vor 12 Tagen auf irischem Grund. Dank Mister Erasmus von Rotterdam habe ich die Möglichkeit ein Semester in Dublin zu studieren und kulturellen Austausch zu erfahren, was einem erst ein bisschen Angst macht, wenn man noch niemals in einer anderen Stadt gelebt hat. Passend zum neuen Lebensmotto: „einfach machen“ habe ich aber alle falschen Ängste und Bequemlichkeiten zu Hause gelassen und die Koffer gepackt.

Bereits nach 10 Minuten wurde das Klischee der unfassbar freundlichen Iren erfüllt, als ein Busfahrer nicht nur meine Koffer verstaute, sondern mir auch gleich zeigte, wo man die billigsten Tickets bekommt, auch wenn der Automat kaputt scheint. Dafür musste ich nur seinen Bus bewachen & durfte niemanden hineinlassen. Außerdem wird man sofort angesprochen, wenn man auch nur 2 Minuten aussieht, als wüsste man nicht, wo man ist.

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Die erste Unterkunft, die ich mir mit einer Kommilitonin zusammen für 5 Tage gebucht hatte, gehört einer gewissen Anne, die nicht nur weise Dinge sagte wie „There are no problems, we just create problems in our heads.“, sondern uns auch gleich abholte, mit Nahrung versorgte und der wir letzendlich sogar unsere jetzigen Zimmer zu verdanken haben.

Die Bilder zeigen nur ungefähr wie liebevoll das alte Haus von Anne eingerichtet war. Wir haben uns gleich wohl gefühlt und das nicht nur, weil ihr kleiner blinder Hund Dino wie ein (My little) Pony durchs Haus galoppiert ist. Es ist einfach in vielen Ecken Dublins wie in einem Harry Potter Film, da alles klein, alt und verwinkelt ist. Dadurch, dass Anne Künstlerin ist, war das ganze Haus voll mit ihren Werken.

Woran man sich gewöhnen muss ist, dass in den Bädern meist immer zwei Wasserhähne (warm und kalt) sind, dessen Sinn sich mir noch nicht so ganz erschlossen hat. Zudem funktionieren Spülungen auch gern einmal erst nach dem dritten Versuch, egal wie alt oder neu das Haus ist.

Die Straßen von Dublin sind mörderisch. Es scheint so, als würde jeder zu schnell fahren und Ampeln scheinen nur Dekoration zu sein. Wer an einem roten Licht stehen bleibt, outet sich meist gleich als Tourist. Da ich auch in Berlin kein Fan von Roter-Ampel-Überquerung bin, muss ich mich hier sehr zusammenreißen. Wenn Mütter ihre Kinderwagen vor ankommende Busse über rote Ampeln schieben können, dann wäre es doch  gelacht, wenn ich das nicht auch schaffe! Problem ist nur, dass man seeeehr sehr oft nach links und rechts schaut, da man den irischen Linksverkehr einfach nicht gewohnt ist, bei dem trotzdem rechts vor links gilt.

Fashionmäßig erinnert es mich hier an England: Sehr viele Frauen in kurzen Kleidern auf hohen Schuhen. Prinzipiell habe ich dagegen ja nichts, aber das Problem ist, dass es hier sogar schlanke Frauen schaffen unvorteilhaft darin auszusehen, weil sie sich einfach in unfassbar enge Kleidung pressen. Jedes Mal wieder faszinierend.

Und auch hier hat man den Bauchfrei-Look seit den 90ern nicht ausrotten können. Ich weiß es gab ein Comeback und viele cropped Tops in den Läden, aber glaubt mir, so wie das hier getragen wird, will das niemand sehen. Außerdem ganz groß im Rennen: Künstliche Bräune! Egal, ob aus der Tube oder dem Solarium. Weeha.

Nach ganzen drei Tagen wurde ich von einem Iren bereits als „Soooo German!“ bezeichnet, warum das so war, gibt es dann aber erst im nächsten Eintrag zu lesen.

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